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Zerbst in der Barockzeit

Eine Übersicht zum Zeitalter des Barock vermitteln Ausstellungsstücke im ehemaligen Kapitelsaal des Klosters, dem Versammlungsraum der Mönche.
Am Beginn stehen Stiche der in dieser Zeit regierenden Fürsten von Anhalt-Zerbst, angefangen von Fürst Carl Wilhelm (1652-1718) bis zum letzten Zerbster Fürsten Friedrich August (1734-1793).
Mit dem Baubeginn des Schlosses 1681 an der Stelle der Renaissanceburg im Auftrag von Carl Wilhelm nahm die barocke Kunst Einzug in die Residenzstadt Zerbst. Das ausgehende 17. Jahrhundert war stark durch niederländische Einflüsse geprägt, die aus verwandtschaftlichen Beziehungen und durch Studienreisen des Fürsten resultierten. So schuf der Holländer Cornelis Ryckwaert (gest. 1693) die Pläne für eine Dreiflügelanlage. Nach diesen Plänen wurde das Corps de logis ausgeführt. Der in brandenburg-preußischen Diensten stehende Baumeister und Stuckateur Giovanni Simonetti (1652-1716) fügte ab 1703 an das Corps de logis den Westflügel mit der Schlosskapelle an. Unter dem Baumeister Johann Christoph Schütze (1687-1765), mit dem die Barockkunst aus dem sächsischen Raum nach Zerbst kam, entstand zu Beginn der 20er Jahre des 18. Jahrhunderts der imposante Schlossturm. Ab 1736 erweiterte er auch den Westflügel um einen Pavillonanbau. Mit dem Baubeginn des Ostflügels 1744 unter Leitung des preußischen Bauinspektors Johann Friedrich Friedel (1721/22-nach 1798) ging die barocke Dreiflügelanlage ihrer Vollendung entgegen. Neben namhaften Baumeistern und Künstlern aus dem Ausland waren auch Kunsthandwerker verschiedener Richtungen aus Zerbst am Schlossbau beteiligt, die es zu erstaunlichen Leistungen brachten. Stiche und Ansichten geben über den Bau Auskunft. Das Aussehen der vollendeten Anlage zeigt ein Modell des 1945 fast völlig zerstörten Schlosses. Zwei aus den Trümmern geborgene Ofenplatten, ein Kamingitter und ein paar Stücke des von 1921 bis 1945 im Schloss bestehenden Museums sind Reste der einstigen Einrichtung. Einige 1943 entstandene farbige Aufnahmen zeigen prachtvolle Räume im Stil des friderizianischen Rokoko, deren Ausstattung zum Teil der in königlich-preußischen Diensten stehende Bildhauer Johann Michael Hoppenhaupt d. Ä. (1709-1769) geschaffen hatte. Diese Prunkräume stellten wahre Meisterwerke dar und konnten sich mit den Raumschöpfungen der Schlösser Friedrichs des Großen in Berlin und Potsdam durchaus messen.
Zu den wenigen Objekten, die zur Originalausstattung des Schlosses im 18. Jahrhundert gehörten und die Kriegswirren überstanden haben, zählen 10 kostbare Wandteppiche. Die in der Mitte des 18. Jahrhunderts in Brüssel gewebten Tapisserien wurden Ende 1944 ausgelagert. Erst 1994 konnte die Herkunft der im Deutschen Historischen Museum Berlin magazinierten Stücke, nachdem sie 49 Jahre als verschollen galten, identifiziert werden. Die Fotos von 2 Teppichen verdeutlichen deren Schönheit.
Im barocken Schlossgarten - Ende des 18. Jahrhunderts in einen Landschaftspark umgewandelt - wurden zahlreiche Gebäude errichtet, darunter eine große Reitbahn und eine malerische Orangerie. Sie entstanden in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts nach Plänen des Baumeisters Schütze.

Aber auch außerhalb der Residenzstadt befanden sich Schlossbauten. 1704 wurde mit der Erbauung der Schloss- und Gartenanlage Friederikenberg, einem Lust- und Jagdschloss, begonnen. Der Lieblingssitz des Fürsten Johann August (1677-1742) erfuhr in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ständige Erweiterungen, wurde aber schon nach 1833 abgebrochen. Ein weiteres größeres Projekt stellt das Schloss in Dornburg dar. Von der Anlage, die der in Zerbst geborene Baumeister Friedrich Joachim Michael Stengel (1694-1786) entwarf, kam nur das Corps de logis zur Ausführung.

Nicht nur das Bauwesen und die damit verbundenen Gewerke waren für die Barockzeit prägend, sondern auch die Musik am Zerbster Hof. Der bedeutende Komponist und Kapellmeister Johann Friedrich Fasch (1688-1758) wirkte für 36 Jahre in der Residenzstadt und schuf zahlreiche Oratorien, Messen, Kirchenkantaten und Instrumentalwerke.

Von der Buchdruckerkunst zeugt das dreibändige Geschichtswerk von Johann Christoff Beckmann aus den Jahren 1709/16, verlegt vom Zerbster Buchhändler Gottfried Zimmermann. Einige originale Kupferplatten zu den Stichen, angefertigt vom Leipziger Kupferstecher Bernigeroth, sind noch erhalten.

Die 1691 von der Familie Ayrer in Zerbst gegründete Gold- und Silberdrahtmanufaktur war für die Wirtschaft von großer Bedeutung. Mit ihren Produkten belieferten sie nicht nur den Zerbster Hof, auch der Export in verschiedenste Länder, z. B. Persien, florierte. Die erzielten Gewinne ermöglichten die barocke Umwandlung eines schon bestehenden Gartens mit Pavillon vor den Toren der Stadt, dem sogenannten "Vogelherd".
Die 1721 von dem Delfter Daniel van Kayck und dem Hanauer Johann Kaspar Ripp mit fürstlicher Unterstützung begründete Fayencemanufaktur war ebenfalls sehr bedeutend. Der Fürst konnte seinen Bedarf zur Ausstattung seiner Schlösser kostengünstig mit den vielfältigsten Erzeugnissen der Manufaktur decken. Die qualitativ hochwertigen Produkte, von denen noch einige Stücke erhalten sind, wurden auch ins Ausland verkauft.
Unterschiedlichste Gebrauchsgegenstände aus Zinn zeugen vom alltäglichen bürgerlichen Leben in Zerbst in der Barockzeit.

Dirk Herrmann